Wer etwas zu vererben hat, steht nicht nur vor der Entscheidung, wer was bekommen soll. Die große Frage ist, wie der Erblasser sicherstellen kann, dass seinen Wünschen zur Aufteilung des Erbes nach seinem Tode Rechnung getragen wird. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, errichtet ein notarielles Testament. Denn häufig sind die gesetzlichen Regelungen anders, als viele es annehmen. Insbesondere das Pflichtteilsrecht hat seine Besonderheiten, weshalb man sich an den Fachmann wenden sollte.
Opa Franz konnte kaum glauben, dass er nicht völlig frei über sein hart erspartes Eigenheim in seinem Testament verfügen können soll. Er war davon ausgegangen, dass er seinen jüngeren Sohn zum Erben einsetzen könne und dass sein älterer Sohn, mit dem er seit Jahren keinen Kontakt mehr pflegt seinem Willen entsprechend nichts erhalten würde. Der Notar klärte den älteren Herrn zum Glück über den sogenannten Pflichtteil auf, der bewirkt, dass gewisse nächste Angehörige nicht völlig leer ausgehen dürfen, wenn sie im Testament übergangen werden. Zwar kann Opa Franz sein Haus seinem jüngeren Sohn vererben, sein älterer Sohn hat aber das Recht, nach Opa Franz Ableben, von seinem Bruder einen Ausgleich in Geld zu verlangen - den Pflichtteil.
"Der Pflichtteil ist insbesondere dann tückisch, wenn das Nachlassvermögen vor allem aus Sachwerten, wie Immobilien besteht", weiß Notar Dr. Florian Meininghaus, aus der Beratungspraxis zu berichten. Der Pflichtteil besteht nämlich nicht - wie man vom Begriff her vermuten könnte - in einer bestimmten Beteiligung am Nachlass. Der Pflichtteilsberechtigte hat vielmehr einen Anspruch gegen die testamentarisch eingesetzten Erben auf Geldzahlung und zwar in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbrechts. "Um den Pflichtteilsberechtigten auszuzahlen, hat schon mancher Erbe das die Erbschaft ausmachende Haus kurzfristig unter Wert verkaufen müssen. Das muss aber nicht sein, wenn man bei Zeiten vorsorgt", erklärt Dr. Meininghaus.
Entgegen einem verbreiteten Irrglauben ist die Entziehung des Pflichtteils kaum möglich. Die Pflichtteilsentziehung kann nur in ganz besonderen Ausnahmefällen - z. B. bei der Begehung eines strafrechtlichen Vergehens gegen den Erblasser, dessen Ehegatten oder ihm nahestehenden Personen - erfolgen. Die bloße Vernachlässigung des Erblassers genügt nicht, um eine Pflichtteilsentziehung zu begründen. Während die Pflichtteilsentziehung in der Praxis nur eine sehr geringe Rolle spielt, ist die Möglichkeit, in einem notariellen Vertrag einen Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht zu erklären, viel bedeutender. Ein solcher Verzicht kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen.
Zudem bieten sich Übergabeverträge an, um seine Lieben vor unliebsamen Pflichtteilsforderungen der Verwandtschaft zu schützen. Sind seit der Schenkung zehn Jahre verstrichen, bleibt die Übergabe unberücksichtigt und dem Pflichtteilsberechtigten steht dann kein sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch mehr zu. Innerhalb des 10-Jahres-Zeitraum gilt seit 2010 eine gleitende Ausschlussfrist: Je länger die Schenkung zurückliegt, desto weniger findet sie Berücksichtigung. Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird demnach voll in die Berechnung einbezogen, im zweiten Jahr nur zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 usw. Opa Franz könnte sein Häuschen also seinem jüngeren Sohn übertragen. "Jedes Jahr zählt. Durch rechtzeitige Schenkungen lässt sich das Pflichtteilsrecht mindern oder sogar gänzlich ausschließen", rät Dr. Meininghaus. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Frist nicht zu laufen beginnt, sofern sich der Schenker den Nießbrauch oder die Nutzung noch vorbehalten hat. "Der Notar kann in solchen Fällen Gestaltungswege empfehlen, die sowohl dem Sicherungsinteresse gerecht werden als auch den Pflichtteilsergänzungsanspruch ausschließen", erläutert Dr. Meininghaus.