Wer entscheidet für Sie, wenn Sie es nicht mehr können?

Nur einen Moment unaufmerksam gewesen und plötzlich ist nichts mehr so, wie es war. Überraschend eintretende Unglücksfälle wie Unfälle oder auch Erkrankungen und Ähnliches, die Menschen ihre Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit rauben, kommen öfter vor, als man denkt – doch was dann?

 

Die meisten gehen davon aus, dass im Ernstfall ihre nächsten Verwandten - Kinder oder (Ehe-)Partner – zur Fürsorge berufen sind. Oder zumindest wünscht man sich das. Doch die Realität sieht anders aus.

 

Wie ist die gesetzliche Lage?

„Von Gesetzes wegen ist zunächst vorgeschrieben, dass für Volljährige, die ihre eigenen Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können, durch das Betreuungsgericht ein Betreuer bestellt wird. Dabei handelt es sich jedoch oft nicht um ein Familienmitglied. Lediglich für Minderjährige sieht das Gesetz eine Vertretung durch die Eltern vor“, erklärt Dr. Andrea Lichtenwimmer, Notarin in Ingolstadt.

 

Den meisten Menschen dürfte es unangenehm sein, dass eine fremde Person ihre Angelegenheiten regeln soll. Das gerichtliche Betreuungsverfahren ist zudem für alle Beteiligten nicht nur zeit- und kostenintensiv. Auch ist nicht gesagt, dass die Vertretung wirklich im Interesse des Betroffenen erfolgt. „Und wenn tatsächlich ein Familienangehöriger zum Betreuer bestellt wird, kann die Dauerbetreuung sehr belastend sein, weil für bestimmte Rechtsgeschäfte eine gerichtliche Genehmigungspflicht und Rechnungslegungspflicht besteht“, weiß Dr. Lichtenwimmer.

 

Doch was tun, um der gerichtlich angeordneten Betreuung zu entgehen?

Gesetzlich ist eine Betreuung nicht erforderlich, wenn ein Bevollmächtigter alle Angelegenheiten ebenso gut besorgen kann. Dazu ist jedoch eine sogenannte Vorsorgevollmacht erforderlich. Durch diese Vollmacht werden eine oder mehrere Vertrauenspersonen ermächtigt, für den Vollmachtgeber in dessen Angelegenheiten umfassend tätig zu werden - ohne Einschaltung eines Gerichts. Dazu zählen beispielsweise

  • in vermögensrechtlichen Angelegenheiten: Post entgegennehmen und öffnen, Verträge schließen, Bankgeschäfte erledigen und das gesamte Vermögen verwalten.
  • in persönlichen Angelegenheiten: im Krankheitsfall umfassende Auskunft von allen Ärzten verlangen, über Untersuchungen und Behandlungsmaßnahmen (auch bei Lebensgefahr) sowie über eine Organspende entscheiden.

 

Der richtige Weg

Natürlich ist es möglich, eine privatschriftliche, vorgefertigte Vorsorgevollmacht zu erstellen. Dabei bieten sich dem Vollmachtgeber jedoch kein bis wenig Gestaltungsspielraum. Zudem wird eine privatschriftliche Vorsorgevollmacht im Rechtsverkehr in vielen Fällen nicht anerkannt.

 

Empfehlenswert ist daher die notariell beurkundete Vorsorgevollmacht.

 

Bei der Beurkundung erfragt der Notar den genauen Willen des Vollmachtgebers, klärt den Sachverhalt und belehrt über die rechtliche Tragweite der Vorsorgevollmacht. Dies schützt vor Irrtümern und schafft Rechtssicherheit. „Gerade im Hinblick auf die erforderliche inhaltliche Genauigkeit der Vorsorgevollmacht ist eine kompetente Beratung von größter Bedeutung“, erläutert Dr. Lichtenwimmer, Notarin in Ingolstadt, aus der Praxis ihres Notariats.

 

Zudem prüft der Notar auch die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers. „Vor allem, wenn dieser erkrankt ist oder bereits ein hohes Alter erreicht hat, verschafft die notarielle Beurkundung der Vollmacht hohe Beweiskraft und besondere Akzeptanz im Rechtsverkehr“, so Dr. Lichtenwimmer weiter.

 

Auch bieten sich durch die notariell beurkundete Vollmacht umfassende Einsatzmöglichkeiten. Denn für den Abschluss mancher Rechtsgeschäfte reicht eine privatschriftliche Vollmacht nicht aus. Dazu zählen insbesondere Grundstücksgeschäfte, gesellschaftsrechtliche Vorgänge und die Aufnahme von Darlehen.

 

Im Falle eines Verlustes ist jederzeit Ersatz möglich. Denn hier kann der Notar angewiesen werden, den Bevollmächtigten bei Verlust eine neue Ausfertigung zu erteilen. Bei Verlust der privatschriftlichen Vollmachtsurkunde erlischt auch die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten und es besteht die Gefahr, dass der Vollmachtgeber zwischenzeitlich geschäftsunfähig geworden ist. Dann kann die Bestellung eines Betreuers nicht mehr verhindert werden.

 

In jedem Fall sollte eine frühzeitige Beratung durch einen Notar erfolgen. Im Falle einer Beurkundung verbleibt das Original in Verwahrung des Notars und die Ausfertigungen für den Rechtsverkehr werden erst auf eigene Anweisung erstellt. Zusätzlich wird eine Registrierung im zentralen Vorsorgeregister empfohlen. Dies erleichtert im Bedarfsfall die Auffindung und verhindert so eine ungewollte gerichtliche Betreuung. Geltung erlangt die Vorsorgevollmacht erst, wenn der Bevollmächtigte sie in der Hand hält. Die Erstellung einer Vorsorgevollmacht ist daher jederzeit möglich und sollte so früh wie möglich in Angriff genommen werden. Dennoch darf die Erteilung nicht vorschnell erfolgen. Diese ist Vertrauenssache und sollte wohlüberlegt sein.

 

Doch was ist, wenn niemand vorhanden ist, dem ausreichendes Vertrauen entgegengebracht wird? In diesem Fall bietet sich die Möglichkeit einer Betreuungsverfügung. Darin kann dem Gericht eine bestimmte Person als Betreuer vorgeschlagen oder ausgeschlossen werden. Der Betreuer wird vom Gericht kontrolliert und braucht für bestimmte Rechtsgeschäfte sogar eine Genehmigung. Zudem können Anweisungen zu Art und Weise einer Betreuung gegeben werden. Auch hier empfiehlt sich dringend, einen Notar zur Beratung heranzuziehen.

 

Sollte sich die Erteilung einer Vollmacht im Nachhinein doch als Fehler herausstellen, ist der Vollmachtgeber nicht rechtlos gestellt. Zunächst ist zu betonen, dass eine Vollmacht jederzeit widerrufen oder geändert werden kann. Dazu ist erforderlich, dass der Vollmachtsgeber noch geschäftsfähig ist, den Wideruf gegenüber dem Bevollmächtigten erklärt und zudem alle Originale und Ausfertigungen vom Bevollmächtigten zurückverlangt. Wenn dies nicht gelingt, ist eine Kraftloserklärung der Vollmacht in einem gerichtlichen Verfahren möglich. Eine Mitteilung an den beurkundeten Notar empfiehlt sich dennoch, damit keine weiteren Ausfertigungen an den Bevollmächtigten erteilt werden. Falls die Vorsorgevollmacht im zentralen Testamentsregister registriert ist, sollte auch dort der Widerruf eingetragen werden.

 

Vorsorgevollmacht und ärztliche Maßnahmen

 Kommt die Vorsorgevollmacht zur Anwendung, ist der Vollmachtgeber nicht mehr in der Lage, seine Angelegenheiten selbst zu regeln. Nicht selten geht damit auch eine Krankheit oder sogar lebensbedrohlicher Zustand einher. Auch in diesen Fällen kann der Bevollmächtigte über Behandlungsmöglichkeiten und lebensverlängernde Maßnahmen entscheiden. „Wer das nicht möchte, kann seine Vorsorgevollmacht durch eine Patientenverfügung ergänzen und den Bevollmächtigten zu deren Durchsetzung verpflichten." erläutert Dr. Andrea Lichtenwimmer, Notarin in Ingolstadt, weiter. In der Patientenverfügung kann festgelegt werden, welche ärztliche Behandlung in bestimmten Situationen gewünscht ist. Diese Anweisungen sind für Ärzte und Bevollmächtigte verbindlich zu befolgen. Auch für die inhaltliche Abstimmung von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht ist es ratsam, sich an einen Notar zu wenden.